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Wie sich der Ausbau von Radwegen positiv auf das Klima auswirkt


Dr. Dorothea Ludwig leitet den Geschäftsbereich Energie und Klima bei der IP SYSCON GmbH und ist Leiterin der Firmenniederlassung in Osnabrück.

Dr. Dorothea Ludwig beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren mit der Entwicklung und Umsetzung von Klimaschutzanalysen und -anwendungen und gibt in diesem Newsletter Hinweise, inwieweit sich der Ausbau von Radwegen positiv auf das Klima auswirken kann.

 

Ralf Behrens: Liebe Kollegin, ich freue mich, dass du dir etwas Zeit für den Newsletter Straßenmanagement nimmst und meine Fragen zum Zusammenhang von Radwegen und Klima beantwortest.

Was versteht man unter dem Begriff Klimaerwärmung? Und wo besteht die Verbindung zum Radfahren?

Dr. Dorothea Ludwig: Die Klimaerwärmung wird im Wesentlichen durch die Treibhausgasemissionen verursacht und hier betrachten wir die drei Verursachersektoren Strom, Wärme und Verkehr. Diese Bereiche müssen wir auf regenerative Beine stellen.

Die Veränderung des Verkehrs, der leider seit 1990 keinerlei Einsparungen an CO2-erreicht hat, wird mit zwei zentralen Säulen beschrieben: Da ist zum einen die Mobilitätswende. Wir müssen Verkehr deutlich einsparen und verlagern. Verkehrssysteme müssen effizienter eingesetzt werden. Das heißt weg vom Auto, hin zum Fahrrad, ÖPNV und / oder Fußverkehr. Die zweite Säule ist eine Energiewende im Verkehr. Den Verkehr, den wir nach der Mobilitätswende noch brauchen, muss klimaneutral angetrieben werden.

Insofern heißt es „Radfahren für das Klima!“.

Ralf Behrens: An welchen Stellen kann der Radverkehr hierfür konkret einen Beitrag leisten?

Dr. Dorothea Ludwig: Insbesondere in den dichten besiedelten Gebieten bietet das Rad für kürzere Strecken ein optimales Fortbewegungsmittel. Statt mit dem Auto zu fahren, können Strecken bis 5 km sehr gut mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Dies schützt nicht nur das Klima; es ist gesund, macht Spaß und hält fit! Und darüber hinaus - bis zu einer Entfernung von 10 bis 15 km - wird das Fahrrad (oder in diesem Fall vermehrt auch das E-Bike oder Pedelec) immer beliebter und ersetzt Fahrten mit dem Auto.

Voraussetzung ist eine gute und sichere Radinfrastruktur, d. h. die Fahrradwege müssen breit genug und vom Straßenraum getrennt sein, sodass man beim Fahrradfahren sicher ist.

Ralf Behrens: Warum bauen dann nicht alle Kommunen mit Nachdruck die Radverkehrsinfrastruktur aus?

Dr. Dorothea Ludwig: Insbesondere in den Städten ist die Flächenkonkurrenz sehr groß. Einerseits muss Wohnraum geschaffen, andererseits Bäume für die Klimaanpassung erhalten und erweitert werden. Die Fortbewegung in der Stadt ist oftmals noch sehr durch das Auto geprägt.

An der über Jahrzehnte in vielen Städte prioritär ausgebauten Infrastruktur für das Auto wird vielfach festgehalten. Der Ausbau der Fahrradwege gehen oft zu Lasten von Parkplätzen und Straßenspuren - hier braucht es einen politischen Willen, dies zu ändern. Ein besonderes Problem ist aber nicht nur der fahrende Verkehr, sondern insbesondere auch der ruhende, parkende Verkehr. Im Durchschnitt parkt ein Auto ungenutzt 23 Stunden am Tag. Diese Parkfläche steht demzufolge für keine weitere Nutzung zur Verfügung.

Der Autoverkehr trägt nicht nur zum Klimawandel bei, er verursacht Lärm, Schadstoffe und nicht zuletzt Unfälle. Städtebewohnerinnen und -bewohner möchten sich dies nicht mehr gefallen lassen. So wünschten sich bereits im Jahr 2015 82 % der Bevölkerung in Städten und Gemeinden zu leben, in denen man nicht auf ein eigenes Auto angewiesen ist.

Fahrradfahren ist so beliebt wie nie. Mit 0,9 Fahrrädern pro Person in deutschen Haushalten besaßen die Deutschen 2017 insgesamt 77 Mio. Fahrräder. Alle Altersgruppen fahren immer mehr mit dem Fahrrad. Allerdings wurde die Infrastruktur für Radwege vielerorts vernachlässigt und ist in vielen Kommunen völlig unzureichend.

Die Begeisterung der Bevölkerung am Fahrrad muss jetzt genutzt und mit einer vernünftigen Radinfrastruktur gefördert werden.

Ralf Behrens: Wo könnten sich denn Kosten einsparen lassen?

Dr. Dorothea Ludwig: Der motorisierte Individualverkehr (MIV) verursacht hohe kommunale Kosten. Für den Erhalt der Straßen und dem Parkraum wird mit Abstand das meiste Geld innerhalb der Ausgaben für die Fortbewegung ausgegeben. Vor allem - wie zuvor erwähnt - ist der ruhende Verkehr ein großes Problem. Parkflächen binden Finanzmittel einer Kommune, die nicht über Parkgebühren zu refinanzieren sind.

Somit könnte in den urbanen Gebieten, in denen eine hohe Flächenkonkurrenz besteht, Parkraum, der sehr viel Fläche einnimmt, viel effizienter genutzt werden - sowohl in wirtschaftlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht, z. B. für Radwege und Grünflächen.

Der Radverkehr ist bezahlbar, gesundheitsfördernd und schließt kaum jemanden von der Teilnahme aus. Er ist emissionsfrei, benötigt wenig Fläche und ist allen anderen Verkehrsarten in Hinblick auf Lärm, Abgase und Feinstaub überlegen. Und genau damit sind auch die finanziellen Einsparungen verbunden, z. B. auch in den Gesundheitsausgaben.

Städte mit einem hohen Radverkehrsanteil zeichnen sich meist auch durch eine geringere Stauintensität und eine hohe Lebensqualität aus.

Ralf Behrens: Welche Hürden und Hindernisse müssen ebenso überwunden werden?

Dr. Dorothea Ludwig: Ich sehe hier eindeutig die Politik in der Pflicht, die oftmals in den Kommunen noch der Bremser ist, wenn es darum geht, Verkehrsraum gerechter aufzuteilen.

Ich wünsche mir, dass die Politik hier mutig und selbstbewusst handelt und die Mobilitätswende endlich zulässt. In der Theorie steht in vielen Studien und Konzepten die deutliche Förderung des Radverkehrs als eine Lösung für die Mobilitätswende.

Es muss deutlich kostengünstiger sein, sich in der Stadt mit dem Bus, dem Stadtteilauto oder dem Fahrrad fortzubewegen, als mit dem Auto.

Nur an der Umsetzung hapert es noch. Man fährt in der Politik den moderaten Weg, möchte keinem wehtun und alle Interessen bedienen. Wenn die Politik nicht handelt wird uns der Klimawandel weh tun und das mit aller Macht. Wir müssen es schaffen, unter der 1,5 Grad Grenze der Temperaturerhöhung zu bleiben, wofür das zeitliche Handeln von wenigen Jahren begrenzt ist.

Ralf Behrens: Wo findet man in Europa Beispiele für einen vorbildlichen Ausbau der Radwege?

Dr. Dorothea Ludwig: Hier lassen sich die großen Metropolen wie Kopenhagen, Amsterdam oder Stockholm nennen. Aber auch viele kleinere Städte in den Niederlanden haben einen Radverkehrsanteil von mehr als 40 %.

Die Niederländer sind begeisterte Radfahrer nicht zuletzt auch deshalb, weil das Radverkehrsnetz dort hervorragend ausgebaut ist.

Ralf Behrens: Welche Voraussetzungen müssen aus deiner Sicht die hiesigen Städte erfüllen, um den Ausbau der Radwege sowohl für das Klima als auch für die Anwohner, Arbeitnehmer und Geschäftsleute positiv zu gestalten?

Dr. Dorothea Ludwig: Es gibt drei Argumente, die der Politik und der Bevölkerung vermittelt werden müssen:

1.       Der Klimawandel verlangt eine sofortige Mobilitäts- und Verkehrswende. Der Verkehr muss reduziert, verlagert und regenerativ angetrieben werden. Es geht um unsere Lebensgrundlage.

2.       Die urbanen Gebiete versinken im Verkehrschaos und dies hat für die Bevölkerung auch direkte gesundheitliche Konsequenzen und mindert in den Städten deutlich die Lebensqualität.

3.       Die positiven Effekte eines hohen Radverkehrsanteils in den anderen europäischen Ländern, aber auch in einigen deutschen Städten wie Freiburg, Münster oder Oldenburg sind Beweis dafür, dass eine Förderung des Radverkehrs nur Vorteile bringt: Für das Klima, für die Bevölkerung, aber auch für die Wirtschaft und den Einzelhandel. Auch dies muss allen Interessensgruppen verdeutlicht werden.

Ralf Behrens: Wie sähe ein Zwischenstand hinsichtlich Radwege und Klima für dich aus und was würdest du dir für die Zukunft wünschen?

Dr. Dorothea Ludwig: Die Kommunen benötigen zunächst ein umfängliches Verkehrsraumkonzept, in dem die Ist-Situation, Zukunftsszenarien und -planungen genau analysiert und festgeschrieben werden. Es reicht nicht aus, eine Veränderung immer nur straßenzugsweise zu betrachten und anzugehen, wenn z. B. ein Bauvorhaben ansteht.

Auf Grundlage des Konzeptes muss konsequent mit den benötigten finanziellen Mitteln und dem politischen Rückhalt der Mobilitätsumbau vorangetrieben werden. Zudem ist die Bevölkerung von Anfang an mitzunehmen und einzubinden.

Ich wünsche mir z. B. für Osnabrück, dass ich in fünf Jahren im gesamten Stadtgebiet auf ausreichend breiten und sicheren Fahrradwegen von A nach B fahren kann und das Fahrrad zum schnellsten Fortbewegungsmittel in der Stadt wird. Viele Abstellplätze für Räder, vorteilhafte Ampelschaltungen und Radschnellwege ergänzen die fahrradfreundliche Infrastruktur und lassen den Fahrradanteil stetig steigern.

Bei Fragen zu diesem Thema wenden Sie sich gerne an Dr. Dorothea Ludwig oder Ralf Behrens.